Ep. 52: Kann die Linke Arbeiterpartei? | mit Jonas Thiel

Shownotes

Die Arbeiterbewegung befindet sich seit Jahren auf dem Rückzug, und auch wenn viele Linke dies ändern wollen, bleibt noch ein langer Weg von Anspruch zur Realität. Bei Weekly spricht Jacobin-Redakteur Jonas Thiel über den Wiederaufbau der Gewerkschaften und wie Sozialisten in Betrieben Fuß fassen können.

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Musik: Kevin MacLeod (Local Elevator) / Lizensiert mit Uppbeat: WNHYXQPDU5IIKDJR

Thumbnail: IMAGO / Rupert Oberhäuser

Transkript anzeigen

00:00:00: In den Betrieben, wo man aktiv ist, einen Betriebsrat zu gründen oder so, ein paar Verbesserungen einfach auf der Ebene vom Arbeitsalltag durchzusetzen, ist, glaube ich, sehr machbar tatsächlich.

00:00:08: Es gibt ja diese Untersuchung, dass in tarifgebundenen Unternehmen mit Betriebsrat, dass da Leute viel weniger dazu neigen, auch die AfD zu wählen.

00:00:16: Ich glaube, dass schon solche kleinen Verbesserungen den Leuten auch den Mut geben, dass man das sich auf gesamtgesellschaftlicher Ebene was bessern könnte.

00:00:29: Herzlich willkommen bei Jacobin Weekly.

00:00:32: Ich bin Loren Ballhorn, Chefredakteur von Jacobin und auch der Host von diesem Podcast.

00:00:38: Wir haben uns in den letzten Wochen viel mit Mietenpolitik beschäftigt und das ist Sicherlich eine der brennendsten politischen Themen in Deutschland gerade, vor allem in seinen Großstädten.

00:00:49: Und letztes Wochenender hat die Partei Die Linke auch einen großen Kongress organisiert in Berlin, wo sie ihre Mietenstrategie für die kommenden Monate groß angekündigt und diskutiert haben.

00:01:01: Das wird auch sicherlich Thema bleiben in den kommenden Wochen und Monaten bei uns, weil es eben so eine große gesellschaftliche Auseinandersetzung ist.

00:01:09: Allerdings wollen wir heute über eine andere Facette.

00:01:13: linker Strategie in Deutschland sprechen, nämlich die sogenannte gewerkschaftliche oder betriebliche Orientierung.

00:01:19: Man könnte es auch klassischerweise Arbeiterpolitik nennen.

00:01:23: In unsere neuesten Ausgabe von Jacobin, die Partei, die wir brauchen, die mittlerweile auch schon ein bisschen älter ist, aber Herbst dieses Jahr erschienen ist, hat unser neuester Redakteur in der Jacobin Redaktion Jonas Thiel einen längeren Text geschrieben, zu genau diesem Thema, nämlich wie können linke Parteien und explizit die Partei die Linke, in der sowohl er als auch ich Mitglied sind, eine betriebliche Verankerung wieder etablieren und in der organisierten Gewerkschaftsbewegung Fuß fassen.

00:01:55: Das ist keine einfache Landschaft, kein einfaches Terrain.

00:01:59: politisch.

00:02:00: Die Gewerkschaftsbewegung befindet sich in Deutschland, aber auch europaweit und auch in der Amerika, übrigens, seit Jahrzehnten in der Defensive.

00:02:09: Die Organisationsdichte geht gefühlt kontinuierlich nach unten und obwohl es immer wieder kleine Erfolge und Durchbrüche gibt, zum Beispiel in der Pflege oder bei manchen Lieferungsfirmen, Insgesamt sehen wir Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft, die viel eher im Interesse des Kapitals gerichtet sind als vor drei, vier, fünf Jahrzehnten, als sowohl die Sozialdemokratie als auch die Gewerkschaften wesentlich stärker waren.

00:02:38: Aber als Marxisten wissen wir, es gibt keinen Weg zum Sozialismus, der an die Arbeiterklasse vorbeigeht und eine desorganisierte, fragmentierte Arbeiterklasse ist keine Ausrede dafür, sie nicht zu organisieren.

00:02:52: Wie könnte das also gelingen heutzutage in Deutschland?

00:02:54: Wie kann man einerseits eine sozialistische Klassenpartei wieder aufbauen und gleichzeitig dafür sorgen, dass die organisierte Arbeiterbewegung organisierter wird, militanter wird und einen immer stärkeren sozialistischen Flügel darin vertreten hat?

00:03:10: Diese Orientierung ist vielleicht in den letzten Jahren, wenn nicht Konsens geworden, immerhin wesentlich populärer geworden in der Deutschsprachenden Linken, als zum Beispiel der Frahl war vor... Als ich in die Linkspartei eingetreten bin, aber von dem abstrakten Bekenntnis hin zu einer organisierenden und aktiven Strategie ist noch ein langer weiter Weg.

00:03:31: Wir werden deshalb gleich mit Jonas T. sprechen über seinen Artikel, über seine Erfahrungen in der Partei und in der Gewerkschaft und wie er denkt, eine sozialistische Arbeiterpolitik oder sozialistische Gewerkschaftsstrategie für unsere Zeitalter aussehen kann.

00:03:46: Doch bevor wir mit Jonas sprechen, Die freundliche Erinnerung, wenn du diesen Podcast magst, bitte denkt daran, uns zu abonnieren, uns für ein Sterne zu geben, vielleicht auch diese Like-Taster auf YouTube zu klicken und uns gerne weiter zu umfehlen an deine Freunde, Familie, Genossinnen, Kollegen etc.

00:04:04: Pepe.

00:04:05: Bis gleich mit Jonas.

00:04:07: Hi Jonas und herzlich willkommen bei Jackabin Weekly.

00:04:11: Ja hallo Lauren.

00:04:12: Schön dich hier zu haben, ich habe es in der Einleitung schon angekündigt, aber Jonas ist das neueste Mitglied unserer Redaktion und auch Genosser aus Partei und Gewerkschaft und ich freue mich heute ein bisschen mit ihm zu diskutieren über sein Artikel aus der letzten Ausgabe über den sogenannten langen Marsch durch die Betriebe.

00:04:36: Jonas, lass uns anfangen mit einer biografischen Frage.

00:04:44: Du bist ja jetzt Teil des Jacobin Teams, du bist ja auch in der Linken aktiv.

00:04:48: Dein Artikel in der neuen Ausgabe hat zumindest einen Tatzaradaktör dazu gebracht, in Frage zu stellen, ob du wirklich ein Arbeiter bist oder ob du nicht doch vielleicht ein abgehobener Akademiker bist, der wie alle Marxisten heutzutage von oben herab dann über die Arbeiterklasse lehrt.

00:05:06: Scheinbar war das nicht vorstellbar.

00:05:10: dass es tatsächlich Menschen gibt, die in Betrieben arbeiten, aber trotzdem lesen und sogar schreiben können.

00:05:15: Also vielleicht einfach paar Sätze dazu.

00:05:18: Was machst du politisch, was machst du beruflich und aus welcher Perspektive hast du diesen Text dann geschrieben?

00:05:25: Ja, genau.

00:05:26: Also ich bin Kreisprecher bei der Linken in Kiel.

00:05:29: Ich arbeite in einem Großhandelsbetrieb hier und bin da auch mehr oder weniger gewerkschaftlich aktiv.

00:05:37: Es ist natürlich tatsächlich so, dass ich den Text jetzt nicht aus einer Perspektive schreibe, offensichtlich, ich habe fünfzig Jahre Erfahrung und so muss man es machen, sondern ich bin genauso wie alle anderen eigentlich, stehe ich vor der Frage, okay, wie können wir eigentlich neu anfangen?

00:05:53: Und ja, man sucht nach Antworten, wie man das vielleicht ins Rollen bringen kann.

00:06:00: Genau, ich bin auch im Verdi Bezirksvorstand hier in Kiel, bin also gewerkschaftlich aktiv.

00:06:06: Ja, in der Verteidigung dieses Tanzredakteurs, es gibt tatsächlich einen anderen Jonas Thiel in Kiel, der an der Fachhochschule anscheinend irgendwie angestellte und er hat mich einfach gegoogelt und den falschen Eintrag angeklickt, aber ja, genau.

00:06:20: Ich glaube, es spricht aber trotzdem für eine gewisse Schieflage, zumindest in der kulturellen Linken und in der linken Publicistik und Öffentlichkeit in Deutschland.

00:06:30: Also, wie du schreibst in deinem Artikel.

00:06:33: Es hat sich mittlerweile durchgesetzt in Strategiedebatten, nicht nur in der Partei, aber auch meiner Meinung nach in vielen Teilen der ehemaligen autonomen Linken sozusagen, dass eine strategische Orientierung auf die Arbeiterklasse und auf die Arbeiterbewegung Esenziell ist, als Hebel um größere gesellschaftliche Transformationen umzusetzen.

00:06:55: Das ist aber ein Erkenntnis, der sich vielleicht noch nicht so durchgesetzt in der post-Achternsätzige Medienlandschaft zum Beispiel.

00:07:03: und bei vielen Leuten, die ihr Brot mit Lesen und Schreiben machen, wie z.B.

00:07:09: ich, aber selber vielleicht nicht so viel Berührung mit politischer Praxis haben.

00:07:14: Und deshalb wäre meine erste Frage für dich, wenn wir die Diskussion in der Linken anschauen.

00:07:20: Also du bist in der Partei Die Linke aktiv, ich bin in der Partei eingetreten, wo sozusagen über eine Orientierung auf die Arbeiterbewegung in gewissen Teilen der Westlinken vielleicht vorhanden war, aber wo es längst kein Konsens darüber gab und wo man oft als altmodisch sozusagen gesehen wurde.

00:07:44: Das hat sich jetzt zumindest rhetorisch komplett gedreht.

00:07:48: Aber wie sieht es dann?

00:07:50: real aus, also praktisch aus.

00:07:52: Würdest du sagen, mit der neuen Parteiführung findet da auch eine praktische Umorientierung statt?

00:07:59: Wie ist das Verhältnis zwischen Partei und Gewerkschaftsbewegung gerade so gestellt und wie versucht die Partei oder überhaupt versucht die Partei da zu intervenieren?

00:08:09: Ja, also ich glaube, was wirklich sich erstmal geändert hat, ist, dass es so einen wirklich merkbaren Stimmungswandel in der Partei gibt.

00:08:17: Also als ich eingetreten Das war auch noch so, dass es Leute immer auf so einer Habachtstellung waren, wenn es um Klassenfragen ging, ob man damit nicht andere Menschengruppen ausschließt oder ob das nicht irgendwie, ob nicht irgendwie doch arbeitende Menschen nur eine von vielen Gruppen sind, die wir vertreten wollen.

00:08:37: Und das ist irgendwie weg.

00:08:40: In den letzten Jahren haben wir da, glaube ich, ein großes Maß auch an politischer Ernsthaftigkeit gewonnen, wenn es um solche strategischen Fragen geht.

00:08:49: Und auch so in der Kommunikation der Partei auf Bundesebene hat sich da was geändert, also wenn man sich einfach so die Kampagnen zur EU-Wahl, mit der wir ja komplett auf die Nase geflogen sind, anguckt im Vergleich zu dem, was zur Bundestagswahl passiert ist, wo es ja wirklich einen klaren Fokus auf Lebenshaltungskosten gab, da hat sich wirklich was geändert.

00:09:06: Und auch von der Parteispitze aus ist irgendwie klar, in den Betrieben Fuß zu fassen, das müssen wir angehen.

00:09:16: Aber man muss, glaube ich, auch ehrlicherweise sagen, bisher gibt es noch keinen richtigen Fahrplan oder so dazu.

00:09:23: Da wird, denke ich, tatsächlich auch dann gearbeitet im Kali-Pingesthaus.

00:09:27: Ich habe da nicht so den großen Einblick, aber ich denke schon, dass da was passiert.

00:09:32: Und ich kann auch verstehen, dass man das nicht mal eben in einem Jahr so aus dem Boden stammt, weil das halt so eine Grundsatzfrage ist, mit der wir uns viel zu lange nicht befasst haben.

00:09:41: Und ja, aber bisher gibt es keine konkrete Strategie so richtig.

00:09:46: Und deswegen zumindest auf Bundesebene.

00:09:49: Deswegen kann man sich eigentlich nur vor Ort Gedanken machen, da wo man aktiven Strukturen hat, wie man das angehen kann.

00:09:56: Und dann gucken wir vielleicht im Jahr oder zwei nochmal, ob es von der Bundesebene dazu Sachen gibt.

00:10:06: Und wie würdest du gerade den Stand der Gewerkschaften beschreiben?

00:10:08: Ich meine, dein Artikel geht quasi von einer schwächen Gewerkschaftsbewegung aus, wo Sozialisten quasi mit der Aufgabe konfrontiert sind, sowohl eine sozialistische Klassenpartei aufzubauen und eine sozialistischen Klassenpartei innerhalb der Gewerkschaftsbewegung zu verankern, aber auch die Gewerkschaftsbewegung an sich nochmal zu... nicht neu zu starten, aber zu revitalisieren, zu neuen Erlegen erwecken, weil, wie du schreibst, alleine in den letzten fünfundzwanzig Jahren ist die Organisationsdichte der Gewerkschaften in der Bundesrepublik von fünfundzwanzig auf sechzehn Prozent gesunken.

00:10:45: Also wie würdest du gerade die politische Verfasstheit der Gewerkschaften beschreiben und wie viel von ihrem Zumindest relative Niedergang ist selbst verschuldet und wie viel liegt an strukturellen Veränderungen wie deindustrialisierung, Verschiebung hin zu neuen Industrien, wo die Gewerkschaften selber auch gar nicht so viel dagegen machen könnten?

00:11:08: Ja, also ich kann schwer einschätzen, inwiefern das wirklich so in der Führungsregel der Gewerkschaften ein richtiges Umdenken.

00:11:16: Also was, was ja völlig klar ist, dass jetzt einfach noch mal ein riesiger Angriff auf Gewerkschaften und auf den Sozialstaat kommen, dass vielleicht sogar der acht Stunden Tag geschlachtet wird.

00:11:28: Ich habe nicht den Eindruck, dass man wirklich darauf vorbereitet ist, in so eine grundsätzlich oppositionelle Haltung gegenüber der Regierung zu gehen, auch gerade, wenn die SPD mit in der Regierung sitzt.

00:11:38: Ich weiß nicht, ob man dafür tatsächlich vorbereitet ist.

00:11:44: Und wenn es um den langfristigen Niedergang der Gewerkschaftsdichte geht, werden diese strukturellen Faktoren, glaube ich, manchmal, also die haben sicherlich eine Rolle gespielt, aber ich glaube, sie werden manchmal ein Stück weit überschätzt.

00:11:57: Also, wenn man sich das empirisch anguckt, das ist eigentlich so, dass der Rückgang der Gewerkschaftsdichte viel mehr von Rückgängen innerhalb von Sektoren getrieben wird als von Verschiebungen zu Sektoren, wo einfach die Gewerkschaftsdichte niedriger ist.

00:12:14: Was man, glaube ich, einfach hatte, ist ab circa dem Ende der neunzehntetzeiger Jahre ein vorliegesehener Angriff der erschenden Klasse des Kapitals auf Gewerkschaften, auf den Sozialstaat.

00:12:27: Und da ist ja das beste Beispiel, wie Margaret Thatcher in Großbritannien den Bergarbeiterstreik im Kohlebergbau gebrochen hat.

00:12:36: Das war ja zu dem Zeitpunkt kein Sektor, der jetzt irgendwie auf dem Akt steigenden Ast unbedingt war oder der von Automatisierung bedroht war oder so, sondern das war so das eines der Herzstücken der britischen Wirtschaft eigentlich, wo dieser Angriff losgehen.

00:12:52: Man hatte gerade in den so sozialdemokratischer geprägten Ländern, hatte man, dass das Arbeitgeber zunehmend angefangen haben, so sektorale Tarifverträge einseitig aufzukündigen, einfach nicht mehr bereit waren, die gleichen Verträge abzuschließen, die diese vorbereit waren, abzuschließen.

00:13:10: Und natürlich in den Neunzehn-Siebzigeren hatte man mit der OPEC-Krise hohe Inflation und die Antwort der Zentralbarken des Staates darauf war halt die Zinsen hochzuschrauben, gerade in den USA.

00:13:24: Das ist ja der Volker Schock, einfach so ein Begriff.

00:13:29: Und damit hat man eben Arbeitslosigkeit und Rezession verursacht.

00:13:35: Und das war einfach, das war der Rambock, den glaube ich das Kapital genutzt hat, um die Gewerkschaft bewegen zu brechen und um eben da diesen Gegenangriff zu starten.

00:13:48: Es gibt ja so eine Erzählung, dass das eigentlich so eine ökonomische Unwendigkeit war.

00:13:55: An entweder, weil die Gewerkschaften selber, die Arbeitbewegungen selber mit den ihren Errungenschaften die Profitraten so nach unten gedrückt hat, dass es nicht mehr weitergehen konnte, dass man die Grenzen von dem, was man Kapitalismus erreichen kann, erreicht hatte oder sogar, dass es einfach so eine generelle Tendenz im Kapitalismus dazu gibt, dass es gar nicht so viel mit den Gewerkschaften zu tun hat.

00:14:18: Da bin ich eher skeptisch.

00:14:20: so, weil die Idee, was es in den USA in den Siebzigern gab, die Grenzen von dem sind, was man im Kapitalismus erreichen kann, halt ich für nicht so überzeugend.

00:14:34: Aber ich denke, dass diese Situation mit der Wirtschaftskrise einfach die Gelegenheit war, die man genutzt hat, um den Gegenangriff zu starten.

00:14:43: Die Gewerkschaften waren darauf, offensichtlich nicht vorbereitet.

00:14:48: Und da spielen die Schubbränenfaktoren, glaube ich, tatsächlich noch.

00:14:51: Also wenn man eine Situation hat, wo Industrien nicht mehr so stark wachsen oder sogar schrumpfen, wo man hohe Arbeitslosigkeit hat, wo Offshoeing vielleicht das erste Mal tatsächlich eine echte Bedrohung war, ist es tatsächlich schwierig auch in die Offensive zu kommen und wieder mehr Leute zu organisieren.

00:15:11: Aber auch solche Illusionen, die es einfach auch in den Gewerkschaftsführung gab von Sozialpartnerschaft.

00:15:18: Diese Idee, dass man den Kapitalismus gezähmt hat, muss eigentlich auf der anderen Seite, auf der Arbeitgeberseite mit nicht mit den gleichen Feinden zu tun hat wie früher, sondern mit irgendwie Leuten, die vielleicht auch einfach kompromissbereiter sind oder so.

00:15:32: Ich glaube, da hat man sich ein bisschen in die Tasche gelogen, sobald.

00:15:34: Also, das ist eine Zeit lang vielleicht so war, dass die Gehmethal was fordern konnte und die Arbeitgeber haben es einfach das abgenägt.

00:15:41: Das lag nicht daran, dass die Arbeitgeber irgendwie dass dann Umdenken stattgefunden hat, sondern daran, dass die Metall einfach so stark war, dass sie bloß einen Streik androhen musste und damit schon erreichen konnte.

00:15:52: Ja, und ich glaube, man war einfach nicht in der Lage, da diese Angriffe abzuwehren, so wirklich.

00:16:00: Immer wenn wir jetzt auf das Jahr zwei Tausend fünfundzwanzig schauen.

00:16:04: Wir haben eine Autoindustrie, das Herzstück der deutschen Wirtschaft in einer tiefen Krise.

00:16:09: Wir haben aber zurückgehende Organisationsdichte in so gut wie allen Branchen.

00:16:15: Und wir sind natürlich alle darüber begeistert, wenn ein Krankenhaus organisiert wird, wenn es eine erfolgreiche Organisierungsoffensive gibt in der Pflege oder im Einzelhandel.

00:16:28: Aber... Wir reden trotzdem, wir blicken insgesamt auf eine Bewegung in der Defensive.

00:16:34: Wo glaubst du, müsste eine sozialistische Gewerkschaftspolitik dann ansetzen?

00:16:39: Weil auch hier gibt es innerhalb der gewerkschaftsorientierten Linken durchaus einen großen Dissens.

00:16:45: Wir haben die Generation, sagen wir, die Post-Achtung-Sächsiger, also eine Generation von Linken.

00:16:51: die aktive auf die Gewerkschaftsbewegungen zugegangen sind in den Siebzig und Achtzigern.

00:16:57: Zu denen gehörten auch viele Gründer der WSG, eine der Vorläufe der Linkspartei.

00:17:03: Und wir haben eine neue Generation, oft konzentriert in Verdi, meistens jüngere Menschen, nicht selten aus der Postautonomenszene, die sich langsam der Gewerkschaftsbewegungen zugewendet haben, die einen starken Fokus auf Pflegesetzen, auf reproduktive Bereiche.

00:17:19: Also Bereiche, wo unmittelbar die Organisation vielleicht auch einfacher ist, aber wo insgesamt die Profitabilität, Profitraten sozusagen sehr niedrig sind und wo die, also wo die Hebel, um die gesamte Wirtschaft lahmzulegen wesentlich kleiner sind.

00:17:39: Und da gibt es meines Meines Monats durchaus ein Clash zwischen zwei Generationen, das aber auch eine strategische Dimension hat.

00:17:46: Setzt man nach wie vor auf die industriellen Bereiche, wo man quasi wenn man einen Finger bewegt, man auch die ganze Hand zum Stellstand bringen kann oder schaut man auf Pflege und eine reproduktive Berufe, die vielleicht auch aus ideologischen Gründen attraktiver sind für eine jüngere Generation an Linken.

00:18:06: Aber die haben auch das berechtigte Argument, dass die deutsche Industrie in der Krise ist und es vielleicht auch mal zu branchen in den zehn, zwanzig, dreißig Jahren nicht mehr da sind.

00:18:14: Also wie siehst du, strategisch, wo müsste eigentlich die Linke dann orientieren?

00:18:20: Ja, also ich glaube, eigentlich müssen wir unsere Hauptaufgabe schon darin sehen, die Leute zu organisieren, die bisher nicht organisiert sind.

00:18:29: Das war eigentlich immer das Motto der sozialistischen Gewerkschaftsbewegung und das müssen wir, glaube ich, auch heute müssen wir dazu so ein Stück weit zurückkommen.

00:18:40: Ich glaube, die Industrie aufzugeben wäre ein großer Fehler, weil also wenn in Deutschland die Chemieindustrie und die Autoindustrie komplett den Bach runtergeht, dann dann sieht es düster aus, glaube ich, für jedes linke Reformprojekt und auch für die anderen Gewerkschaften.

00:18:58: Es ist natürlich tatsächlich so, dass es schwieriger ist, da ein Bus in die Tür zu bekommen.

00:19:05: Es ist so, dass da einfach der größte Vertrauensverlust in linke Parteien, glaube ich, stattgefunden hat.

00:19:11: Das hat auch was damit zu tun, wie Linke über, ich sage mal, fossile Industrien geredet hat in den letzten Jahren.

00:19:19: Ich glaube, das hat da eine Rolle gespielt.

00:19:22: Es hängt damit zusammen, wie man vielleicht auf den Rechtsdruck, auf die Rechtsentwicklung, die auch teilweise aus solchen Betrieben kommt, wie man darüber gesprochen hat.

00:19:36: Aber ich glaube, es liegt auch dann, dass wir lange Zeit keinen so richtig industriepolitisches Profil hatten.

00:19:41: Man hat nicht den Eindruck, die Linke hat Antworten auf die Krise der Industrie.

00:19:46: Man hat das teilweise auch ein bisschen abgetan.

00:19:52: muss man glaube ich schon ansetzen, wieder das Vertrauen mit den Leuten da aufbauen, vielleicht auch wenn es die Gelegenheit mal gibt, hier oder da die eigene Mitglieder zu ermutigen, auch solche Berufe anzunehmen.

00:20:10: Aber vor allen Dingen glaube ich, überall da, wo es eben Kämpfe gibt, da zu sein, zu unterstützen, auch bis zum Ende da zu sein und halt nicht nur wie die SPD für die Pressefotos.

00:20:21: Ich glaube, da kann man viel Vertrauen wieder zurückgewinnen.

00:20:23: Das darf man nicht aus den Augen verlieren.

00:20:26: Aber natürlich ist es so, dass man am besten Gewerkschaftsarbeit da machen kann, wo man selber arbeitet tatsächlich.

00:20:31: Und die Mitglieder der Linkspartei und auch von anderen Linken Parteien, anderen Lernern, arbeiten leider nicht unbedingt in Industriebetrieben.

00:20:40: Und da muss man dann halt gucken von den Betrieben, wo man Leute hat oder vielleicht, wo man vielleicht sympathisierende Leute vermutet.

00:20:52: Was sind da die Betriebe, wo es am meisten Sinn macht, strategisch da anzusetzen?

00:20:59: Ist nicht das, was du gerade gesagt hast.

00:21:03: Es stimmt leider, kann man sagen, dass in modernen Linken Parteien, sei es in Deutschland oder anderswo, nur die wenigsten Mitgliederindustrie arbeiten.

00:21:15: Und daraus oder aus der Tatsache heraus hat sich oft so eine Einstellung entwickelt, Sei dort aktiv, wo du bist.

00:21:23: Das ist, denke ich, auch Teil von dieser Orientierung auf Nachbarschaftsarbeit, die sicherlich auch wichtig ist und eine Rolle zu spielen hat, aber auch irgendwie die Frage der betrieblichen Orientierung ein Stück weit ausweicht.

00:21:38: Und Vivek Chipper, kennen wir beide, Jacobin, Autor, Professor

00:21:43: etc.,

00:21:45: hat diese Orientierung oder diese Einstellung neulich kritisiert und hat das... als politischen Tourismus beschrieben, so das Phänomen in einer Lenken, die vor allem im Kleinbürgertum verankert ist und sich dann organisiert in kleinbürgerlichen Kreisen, sei es Nachbarschaftsarbeit, sei es an der Universität quasi mit der Begründung, man muss ja aktiv sein da, wo man ist.

00:22:11: Aber ist nicht das Problem, wie du auch schreibst in deinem Artikel, es gibt einfach manche Berufe, die werden keine Rolle spielen im Klassenkampf und vielleicht ist es gar nicht so nützlich, super viel Zeit da rein zu investieren.

00:22:23: Ich denke unter anderem an Universitäten, Krankenhäuser ist eine andere Frage, aber dann ist die Frage, welcher Beruf innerhalb des Krankenhauses hat ein Chirurg wirklich die gleichen Interessen wie eine Krankenschwester.

00:22:39: Ist es, kann das auch nicht ein Problem sein, wenn wir sagen, gut, wir haben in der Industrie niemanden, also orientieren wir uns auf da, wo wir sind und dann landet man, keine Ahnung, bei Bio-Lebensmittelläden.

00:22:52: Im schlimmsten Fall.

00:22:56: Ja, auf jeden Fall.

00:22:57: Es gibt bestimmte Orte, wo das einfach nicht viel Sinn macht, gewerkschaftlich aktiv zu werden, wo man vielleicht drüber nachdenken kann, wenn man schon fünfzig, sechszig, siebzig Prozent der Bevölkerung organisiert hat, dann macht man vielleicht irgendwie, ja, macht man auch einen, denkt man über einen Betriebsgrad irgendwie bei der örtlichen Sozialberatung nach oder so, aber das ist nicht da, wo die Kämpfe wirklich stattfinden.

00:23:26: Es ist einfach ein großes Problem, dass ein großer Teil der Mitgliedschaft der Linkspartei und anderer Linker Parteien eben akademischen Hintergrund hat und Ja, nicht wirklich viel in Ausbildungsberufen, müsste ja nicht nur Industrieberufe sein, aber auch in anderen Ausbildungsberufen arbeiten.

00:23:45: Ich glaube, das ist ein großes Problem für uns.

00:23:51: Ich glaube aber nicht, dass diese Leute unerreichbar sind für linke Politik.

00:23:57: Wenn man bewusst die Entscheidung trifft, wir machen unsere politische Arbeit da, wo eben diese Kämpfe geführt wurden.

00:24:06: geführt werden, wo die Leute sind, die wir erreichen wollen, dann kann man die auch langfristig erreichen.

00:24:11: Und ich denke mir halt so, es gibt ja auch im Dienstleistungsbereich Berufe, wo es total Sinn macht.

00:24:22: Also wenn Leute irgendwie an einem Hafen arbeiten oder so oder in einem Krankenhaus, dann kann man da schon ansetzen.

00:24:35: Und natürlich ist dann ein Problem, wenn das Leute sind, die nicht quasi auf dem auch im Betrieb selber arbeiten, sondern so in der Verwaltung oder sowas.

00:24:46: Ich glaube, das ist einfach ein ernsthaftes Problem, wo es keine so richtig irgendwie befriedigende Antwort drauf gibt, weil ich sehe das Problem total, wenn man einfach sich zurückzieht auf Berufe, wo man vielleicht viele sympathisierende Leute hat, irgendwie in der Pflege oder in der Kinderbetreuung oder so, dann vernachlässigt man halt die Berufe, wo viele Leute arbeiten.

00:25:14: Ich denke, langfristig muss die Linke einfach zusehen, dass sie tatsächlich die Breite der Klasse auch in der Partei organisiert.

00:25:20: Ich glaube nicht, dass die Partei jemals so viele Mitglieder haben wird wie eine Gewerkschaft oder so.

00:25:26: Und ich glaube auch unser Ziel sollte es sein, Leute erstmal in die Gewerkschaft zu holen, wenn sie da noch nicht sind, bevor wir anfangen, für die Linke als Partei zu rekrutieren.

00:25:34: Die Leute kommen dann von selber, wenn sie überzeugt sind, davon, was man macht.

00:25:40: Aber ja, also beantwortet das die Frage so ein bisschen, oder?

00:25:44: Ja, ich meine, mich würde interessieren, wie das konkret aussehen kann, weil es gibt in anderen Ländern noch eine viel stärkere, das an europäischen Ländern sagen wir.

00:25:54: noch eine viel stärkere ausgeprägte Tradition von sozialistischer Strömungsarbeit in der Hand der Gewerkschaften.

00:26:01: Das gab es ja auch in Deutschland, vor allem vor Dreiunddreißig, aber auch ein bisschen danach, dass es aktive KPD, SPD-Betriebsgruppen gab, dass Parteien aktiv versucht haben, Einfluss auf die Politik der Gewerkschaft einzunehmen.

00:26:18: In diese organisierten Formen, Strömungspolitischen Form sozusagen, gibt es Nicht wirklich mehr.

00:26:24: Also natürlich übt die SPD noch sehr viel Einfluss auf die Gewerkschaften aus, aber meistens über bürokratische Wege, aber organisierte Strömungs- oder Fraktionsarbeit gibt es kaum.

00:26:36: Glaubst du, man kann heutzutage weder sowas etablieren?

00:26:40: Plädierst du dafür, dass die Linke als politische Strömung auch aktiv in die Gewerkschaften hineinintervenet und um Positionen ringt?

00:26:48: Oder geht es einfach erstmal darum, dass die Linke beim Wiederaufbau?

00:26:53: tätig ist und irgendwie sichtbar ist.

00:26:56: Also ich denke, ich kenne das auch als aus eigener Erfahrung.

00:27:01: Man kann sehr viel Arbeit so auf gewerkschaftliche Cremienarbeit und auf Schlüsse, auf irgendwie Kongressen oder so verwenden, die häufig gar nicht so viel Einfluss darauf haben, was tatsächlich in den Betrieben im Alltag und in den Tarifrunden passiert.

00:27:15: Und ich glaube, man muss wirklich in den Betrieben selber ansetzen.

00:27:21: Da versuchen wirklich viele Leute zu organisieren.

00:27:23: Betriebsräte zu gründen und so weiter.

00:27:27: Und wenn man dann auf Probleme trifft in diesem, in diesem Kampf, wenn man dann plötzlich merkt, okay, hier kommt Widerstand irgendwie aus dem gewerkschaftlichen Hauptamt oder so.

00:27:39: Ich glaube, dann muss man sich mit solchen Fragen auseinandersetzen.

00:27:44: Aber vor allen Dingen muss man halt als, also wirklich als, als Akteur mit Integrität und überzeugend, dass man für die Sache für die Sache da ist, auftreten.

00:27:54: und es darf nicht so der Eindruck entstehen.

00:27:57: Wir gehen jetzt einfach los und gehen halt in die Betriebe um für unsere politische Sekt irgendwie zu rekrutieren oder so oder ein anderes Ziel zu verfolgen, sondern muss wirklich glaubwürdig für die Leute in den Betrieben kämpfen und ja, das eben so rüberbringen auch und wirklich leben, sag ich mal.

00:28:20: Also es klingt vielleicht ein bisschen plump so.

00:28:22: Ich glaube, man darf da keine.

00:28:23: Also man kann das nicht faken einfach so, sondern man muss tatsächlich diese Kämpfe mitmachen, dabei sein.

00:28:30: Und wenn man dann halt sieht, okay, hier stinkt der Fisch vom Kopf her.

00:28:34: Irgendwie, hier wird was, was wir jahrelang vorbereitet haben, irgendwie ein großer Tarifkampf, wird irgendwie einfach abgebügelt.

00:28:40: Dann muss man damit anfangen.

00:28:42: Und dann hat man, glaube ich, auch das Vertrauen der Leute in den Betrieben das tatsächlich zu tun.

00:28:46: Und es wird nicht nur so, als würde sich irgendwie die Linke jetzt an der... Gewerkschaft versuchen, irgendwie zu bereichern sozusagen.

00:28:59: Und wenn wir jetzt ein bisschen nach vorne blicken, ich meine, du hattest ja schon gesagt, du hast jetzt keinen großen Einblick, was gerade im Kalibknechthaus geplant oder diskutiert wird.

00:29:08: Wir haben aber jetzt dennoch, also die Bundestagswahl liegt mittlerweile sieben Monate, acht Monate zurück, wir hatten oder haben eine sehr erfolgreiche, erfolgreichen Wahlkampf gesehen, der viel mehr auf... Also einen sozusagen organisierenden oder aktivierenden Wahlkampf gesetzt hat und die Partei hat sich mehr als verdoppelt.

00:29:29: Was wir aber wissen oder was man so mitbekommt, sofern es Schätzungen gibt, ist durchschnittliche Parteimitglied oder neues Parteimitglied ist jetzt tendenziell weiblich, tendenziell zumindest mit einem Bachelor ausgestattet und tendenziell in den sozialen Berufen konzentriert.

00:29:48: Wie meinst, kann die Partei damit was anfangen, kann die der Wahlkampf zum Beispiel, Taktiken oder Aktivitäten wie Haustürgespräche, kann das überführt werden in einer organisierenden Praxis, glaubst du, und kann man über dieses Milieu hinaus woanders Fuß fassen.

00:30:08: Deine Erfahrung zum Beispiel in Kiel ist, denke ich, wesentlich anders als die Erfahrung in Berlin-Kreuzberg, sagen wir so.

00:30:17: Ich habe bisher noch nicht in Berlin Kreuzberg Austürgespräche geführt, aber ich kann mir vorstellen, dass da auch andere Leute sind.

00:30:26: Was mir total auffällt, gerade wenn es um die Austürgespräche geht, ist, wenn Leute neu zur Linkspartei kommen, die dann ja auch schon politisch überzeugt sind und deswegen beitreten, wenn man mit denen so darüber spricht, so wie sie politische Gespräche vielleicht sogar mit Kollegen führen oder mit... mit anderen Leuten, die sie irgendwie treffen, ist da häufig so eine große Frustration drin, weil sie irgendwie das Gefühl haben, das klappt gar nicht.

00:30:49: Man kann Leute gar nicht richtig überzeugen.

00:30:52: Und wenn man dann so ein bisschen nachbohrt, dann merkt man so, das liegt daran, weil die Art und Weise, wie diese Gespräche geführt werden, sich sehr ähnlich anhört wie Streitgespräche am Weihnachtstisch mit dem rassistischen Onkel.

00:31:06: Also, kennen wir alle, das sind nicht Gespräche, wo man besonders viel... Besonders viel Gewinn bringt es irgendwie rausbekommen.

00:31:12: Ich glaube, dass was solche Sachen wie am Infostand oder in der Haustür mit Leuten im Wahlkampf sprechen einem geben kann, ist einfach ganz banal gesagt so ein Gefühl dafür, wie die Leute ticken tatsächlich, was man sonst vielleicht nicht unbedingt hat, was tatsächlich Leute motiviert, was so ihre Probleme mit linker Politik auch sind, warum sie da vielleicht nicht so offen erstmal für sind.

00:31:32: Man lernt zuzuhören, was... Ganz wichtig ist tatsächlich, also gibt es das, was in allen Schulungen in der Partei erzählt wird, dass immer siebzig Prozent zuhören, dreißig Prozent reden und auch möglichst viele Fragen stellen, einfach die andere Person sprechen lassen.

00:31:49: Und man lernt vielleicht auch die eigenen Probleme mit dem, was man dazu hören bekommt, ein bisschen so erstmal wegzuatmen, irgendwie nach unten zu drücken und eben nicht von oben herab belehrend mit den Leuten zu sprechen, sondern auf Augenhöhe.

00:32:04: Und ich glaube, das ist was und auch so zu merken ist, um wie viel Wut eigentlich und wie viel Frustration der Bevölkerung auch da ist und das ja zu bestätigen.

00:32:15: Und ich glaube, das sind Sachen, die man sehr gut übertragen kann, auch auf Gespräche am Arbeitsplatz.

00:32:21: Aber ich glaube, dass das nicht, also dieser Vergleich, der geht, diese Parallelen, die gehen nur so weit, weil das, was man am Arbeitsplatz hat, was man im Wahlkampf überhaupt nicht hat, ist ein richtiges Stake, ein richtiges Risiko.

00:32:36: Also, das weiß jeder, der am Arbeitsplatz sich schon mal mit, auch nur mit irgendeiner Kleinigkeit, mit der Abteilungsleitung oder mit dem Chef angelegt hat, ist, dass das riskant ist und Konsequenzen haben kann.

00:32:50: Also, man legt sich an der Stelle tatsächlich mit den Bossen an und das ist was, was was nicht so einfach ist, wie Leute zu einer Wahlentscheidung zu überzeugen.

00:33:07: Und da muss man, glaube ich, ein Stück weit anders an Sachen rangehen.

00:33:12: Und auch, ich glaube, dafür braucht es auch in der Parteibildungsarbeit tatsächlich genau für solche.

00:33:17: Wie führt man eigentlich solche Gespräche?

00:33:19: Da muss man sich Erfahrungen einholen von Leuten, die das schon mal erfolgreich gemacht haben, von Leuten, die das vielleicht auch um gewerkschaftlichen Hauptamt einfach beruflich machen.

00:33:30: Du hattest gerade das angesprochen, die Stakes, also das am Arbeitsplatz oder im Job, die Risiken von politischer Aktivität oder die möglichen Risiken von politischer Aktivität, wie höher sind als in der Gesellschaft insgesamt.

00:33:46: Wenn man für die linke Wahlkampf macht, dann geht man nicht unbedingt das Risiko ein, den Job zu verlieren oder einfach vom Arbeitgeber gemobbt zu werden.

00:33:55: Kann natürlich auch passieren, aber wir reden von einem höheren existenziellen Risiko, wenn wir über das Arbeitsverhältnis sprechen.

00:34:03: Und da, finde ich, kann man auch nochmal ein bisschen weiter herauszoomen.

00:34:08: Deutschland oder die deutsche Wirtschaft steht vor immensen Herausforderungen, drei Jahre Recession, andauende Stagnation, krasse Krise in der Automobilindustrie, aber auch in anderen Teilen der Industrie.

00:34:21: Und insgesamt das Gefühl unter vielen arbeitenden Menschen, dass die Zukunft recht düster aussieht.

00:34:28: Auch alles, was Merz verspricht mit seinen Herbstreformen.

00:34:32: Es fällt ja wirklich auf, dass niemand mehr eine positive Zukunftsvision oder Erzählung hat, sondern es geht nur darum, wir müssen jetzt ein bisschen mehr Opfer opfern, damit wir nicht später noch mehr aufopfern müssen.

00:34:45: Also es ist nur quasi ein Überbieten in Unterbieten und da frage ich mich, was ist dann das Angebot, das politische Angebot der Linken?

00:34:56: und damit, damit meine ich nicht nur die Partei, sondern auch insgesamt eine sozialistischen Linken in Deutschland anderswo in eine solchen Situation.

00:35:03: Also Sozialismus.

00:35:05: ist weit weg und unmittelbar, haben wir eigentlich weder die gesellschaftlichen Machtressourcen noch den Einfluss in der Industrie oder in der Regierung, um wirklich auch das Schlimmste zu vermeiden für die Arbeit in der Klasse.

00:35:22: Ich denke manchmal, das einzige, was gerade die Linke für die Linke in Deutschland spricht, ist, dass die SPD in der Regierung ist und diese ganzen Reformen mitträgt, aber aus rein praktischer Sicht für Arbeitnehmer.

00:35:33: Ich denke schon ist die Frage, wieso soll ich die Linke wählen, wenn die SPD immerhin versprechen kann oder die Perspektive hat, eine Regierung zu stellen und ein bisschen was abzulindern.

00:35:46: Wie siehst du das?

00:35:47: Wie ist das Verhältnis zwischen einer sozialistischen Vision und das, was dann konkret eine sozialistische Partei anbieten kann im Alltag?

00:35:55: Erst recht, wenn die Arbeiterklasse vor einer großen, vielleicht existenziellen Krise steht.

00:36:03: Ja, also... Ich glaube, wir sind erstmal so an so einer Stelle von wirklich Baby-Steps.

00:36:11: Wir müssen Sachen wieder aufbauen, die vor ein paar Jahrzehnten irgendwie, wo man sich keine Gedanken wirklich drüber machen musste.

00:36:20: Und da ist man natürlich das, wie du sagst, das überzeugende Argument dafür ist nicht irgendwann mal für das vielleicht ein Sozialismus so für Leute, sondern da ist, glaube ich, also das, was die Linke, glaube ich, im Moment gut macht, auch mit den solchen Sachen wie diesen Mietwucherechner, diese Heizkostenaktion, ist, dass man ohne politische Macht eigentlich selber zu haben, man versucht Leuten zumindest im Kleinen zu helfen.

00:36:48: Und ich glaube, da könnte Betriebsarbeit eine ähnliche Rolle spielen, also so einen großen Tarifkampf zu führen oder so.

00:36:56: Das ist eine Riesenaufgabe von Jahren wirklich.

00:37:00: Aber... In den Betrieben, wo man aktiv ist, in den Betriebsrat zu gründen oder so, oder da ein paar Verbesserungen einfach auf der Ebene vom Arbeitsalltag durchzusetzen, ist, glaube ich, sehr machbar tatsächlich im Vergleich zu diesen ganz großen Sachen so.

00:37:16: Und ich glaube, da kann man dann versuchen, so Stück für Stück das Vertrauen wieder aufzubauen, was man verloren hat.

00:37:22: Und ich glaube, man sieht das ja auch, es gibt ja diese Untersuchung, dass in tarifgebundenen Unternehmen mit Betriebsrat das da Leute viel weniger dazu neigen, auch die AfD zu wählen.

00:37:33: Ich glaube, dass schon solche kleinen Verbesserungen den Leuten auch den Mut geben, dass man, dass sich auf gesamtgesellschaftlicher Ebene was bessern könnte.

00:37:41: Und das ist, glaube ich, das große politische Problem, was wir gerade haben, dass das so eine komplette Resignation herrscht, dass eigentlich niemand glaubt, dass ich wirklich was verbessern kann.

00:37:49: Und wie du sagst, dann die einen, die treten irgendwie zur Seite und nach unten und gehen dann vielleicht zur AfD und die anderen sagen, ja, okay, vielleicht kriege ich von der SPD und von den Grünen zumindest ein bisschen irgendwas.

00:38:03: Das ist, glaube ich, ein echtes Problem.

00:38:06: Und langfristig, wenn man es tatsächlich schafft, wieder diese Verwurzlung in den Betrieben in der Haber-Harten-Klasse aufzubauen, dann ist man halt so ein bisschen am Puls der Menschen dran und weiß, was die beschäftigt und kann tatsächlich deren Enttreten auch glaubwürdiger vertreten.

00:38:28: So kann man dann, glaube ich, schon aus dieser Resignation ein Stück weit wieder auskommen.

00:38:35: Es war natürlich langfristig, wirklich die großen gesellschaftlichen Veränderungen durchzusetzen.

00:38:43: Das ist tatsächlich, glaube ich, in den nächsten Jahren schwierig, gerade wenn so eine anhaltende Wirtschaftskrise, die ja jetzt wirklich seit mehreren Jahren keinen Ende nimmt.

00:38:55: Da ist es wirklich schwierig, dagegen anzukommen, erstmal.

00:39:01: Gut Jonas, vielleicht machen wir dann mal eine Fortsetzungsfolge, wo wir über die große Sozialismusfrage sprechen und was sie mit unserer Realität heute zu tun hat.

00:39:11: Erstmal vielen Dank für das Gespräch.

00:39:14: An euch, die Jonas dieses Artikel lesen möchten, der befindet sich in unserer neuesten Ausgabe, die Partei, die wir brauchen.

00:39:22: Die gibt es zu kaufen auf jackabin.de und auch in hunderten Bahnhofs, Kiosken, Deutschland und Österreich weit.

00:39:31: Wir sind nächste Woche wieder da.

00:39:34: Ich weiß noch nicht, wer der Gast sein wird, aber das wird bestimmt auch ein spannendes Gespräch.

00:39:39: Danke noch mal, Jonas, für deine Zeit.

00:39:40: Ja,

00:39:40: gerne.

00:39:47: Das war Jack in Weekly für diese Woche.

00:39:49: Herzlichen Dank noch mal an meinen Gast.

00:39:51: Jonas Thiel führt das sehr spannende Gespräch über Strategie und Entwicklung bei der Partei Die Linke und innerhalb der Arbeiterbewegung.

00:39:59: Bevor ich mich verabschiede, unsere wöchentliche Erinnerung, dass dieser Podcast produziert wird von Jacobin Magazine.

00:40:06: Jacobin ist eine sozialistische Filiaristzeitschrift, die auch jeden Tag kostenlose Inhalte im Internet veröffentlicht.

00:40:13: Wir machen es alles aus politischer Überzeugung und werden damit keinesfalls reich.

00:40:18: Allerdings können wir von Überzeugung alleine nicht leben und sind deshalb sehr dankbar für ihre jegliche Unterstützung.

00:40:25: Wenn du möchtest, dass dieser Podcast und auch unser Magazin noch lange existiert, kannst du uns am besten unterstützen, indem du ein Abo abschließt auf jagubin.de slash Abo oder uns auch einfach mit einer Spende unterstützt.

00:40:40: Das kannst du tun auf jagubin.de slash Spenden.

00:40:44: Vielen Dank nochmal und bis zur nächsten Woche.

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